Monetäre Kreativität IX. ! - Notruf! Working poor!

Dieses Schreiben habe ich heute verfasst. Getrieben von der absoluten Verzweiflung und Hilflosigkeit, die mich überkommt, wenn ich an die Erhaltung meiner Existenz denke. Verstärkt wurde dieses Gefühl der Machlosigkeit, als ich meine zu bezahlenden Rechnungen summierte und von meinem Gehalt subtrahierte.



Gehalt: € 1.261,87 (netto)

zu leistende Zahlungen: € 1.161,18 (Miete, Fernwärme, SV, Kfz-Versicherung, Kreditrate, UPC, Finanzamt, GIS)



Ich möchte betonen, dass ich hier keineswegs betteln oder jammern möchte. Auch Mitleid, ist nicht angebracht. Ich will ganz einfach auf zeigen! Einfach was bewegen, um nicht hilflos erstarrt da zu sitzen und mir sagen: „Kann man halt nichts tun!“ Ich nehme mir ganz einfach die Freiheit des Wortes. Die Freiheit, meine Angst ehrlich zu zugeben. Ich schäme mich nicht dafür. Ich habe nichts mehr zu verlieren, abgesehen von meinem Leben. Und dieses möchte ich nicht in Armut beenden.


Diese Worte gingen an offizielle Stellen und Vertreter unseres Landes!





Ich wende mich vertrauensvoll mit diesem Schreiben an Sie.

Versuche kurz die aktuell dramatische Situation und Lage zu skizzieren.


Im Jahre 2003, fand ich nach langjähriger Arbeitslosigkeit endlich einen adäquaten Job in Wien 21. Es handelt sich dabei um einen sozialökonomischen Betrieb, welcher langzeitbeschäftigungslose Menschen beschäftigt und betreut. Zu dieser Gruppe gehörte ich damals ebenfalls, da ich nach dem Ausstieg in meinen vorangegangenen Job, keine Arbeit mehr gefunden habe. Mag es am Alter (1998 war ich 34 Jahre alt, Alleinerzieherin, 1 Sohn, 1985*) oder auch an den, schon damals nicht allzu großen Angebot an offenen Arbeitsstellen gelegen hat, kann ich nicht genau verifizieren. Auf alle Fälle, war ich äußerst dankbar und glücklich in „DieWerkstatt“ arbeiten zu dürfen. Am 3.12.2003 hatte ich mein Vorstellungsgespräch in der Hofherr Schrantz Gasse 4 in einer noch völlig leeren Lagerhalle und in einem, mit lediglich ein paar Sesseln und einem alten Tisch bestückten Büro. Der Betrieb hatte damals erst neu gestartet, welchen der Projektleiter (Name meines Betriebsleiters) mit viel Herz und Engagement leitet und auch das Konzept dafür verfasst hat. Das Bewerbungsgespräch, bei ihm, war sehr angenehm und wir wurden uns rasch einig, dass er selbstverständlich auch eine Sekretärin und Verwaltungskraft benötigen wird. Am nächsten Tag, 04.12.2003 trat ich meine Arbeitsstelle an. Vorerst als Transitarbeitskraft, das bedeutete, dass die Stelle befristet war. Damals war es längstens ein Jahr. Auch beim Einkommen und der Arbeitszeit musste ich Einbußen hinnehmen. Aufgrund des vorgegebenen Ausgabenschlüssels der unterschiedlichen Kosten des Betriebes, war eine Vollzeitanstellung nicht möglich und meine gesamte Vordienstzeit konnte auch nicht vollständig berücksichtigt werden. Zum Glück galt aber damals noch der Kollektivvertrag für Metaller.


Ich fing also damals für 28 Wochenstunden mit € 1.000,43 (netto) an. Von Beginn war es jedoch mein Ziel, in diesen Betrieb zu bleiben. Es passte ganz einfach. Eine Kfz-Werkstatt, die organisatorischen und verwaltungstechnischen Aufgaben und vor allem die intensive Arbeit mit den Menschen ist für mich eine absolut ideale Konstellation eines Arbeitsplatzes. Kurz und gut, ich konnte in diesem ersten Jahr, meinen Vorgesetzten davon überzeugen, fix im Betrieb zu bleiben. Ab 4.12.2004 wurde ich als Schlüsselkraft eingestellt. Hervorragend ein Traum ging in Erfüllung. Nun stand nichts mehr im Wege, meine angefallenen Schulden und noch unerledigten Dinge anzugehen. Meine Zahnsanierung, teilweise Renovierung meiner desolaten Wohnung usw. Jede Menge gab es zu tun. Auch in der Werkstatt, waren und sind enorm viele Aufgaben zu erledigen. Das finde ich schön und äußerst befriedigend. Arbeiten bedeutet für mich, etwas zu mobilisieren, und das kann man hier.


Zu Beginn, konnten wir gemeinsam enorm viel bewegen, die Kfz-Werkstatt wurde rasch zu einer sehr beliebten Anlaufstelle für zufriedene Kunden. Auch die Mitarbeiter fühlen sich wohl bei uns. Grundsätzlich ist unser Ziel, diese Menschen in sozialen Belangen zu unterstützen, damit diese so unbelastet wie möglich, erneut motiviert in die Arbeitswelt einsteigen. Es gelingt nicht immer gleich, aber die Jahre haben uns gezeigt, dass doch viele Menschen, anschließend wieder Hoffnung geschöpft haben um weiter zu tun.

So wie auch ich es getan habe. Seit einigen Jahren ist der Verweildauer auf mittlerweile durchschnittlich 5,5 Monate verkürzt, es gilt nur mehr der Kollektivvertrag für BAGS (Berufsvereinigung von Arbeitgebern für Gesundheits- und Sozialberufe). Dieser ist wesentlich schlechter dotiert, und die Leute können auch grundsätzlich nur mehr 30 Wochenstunden in der Werkstatt tätig sein. Dies resultiert aus dem, immer massiveren Bedingungen, unseren Betrieb Aufrecht zu erhalten. Wir müssen entweder die anfallenden Kosten senken oder höhere Umsätze bei den Reparaturen erlangen. Beides ist mittlerweile an Grenzen gestoßen. Die Konstellation, oft nicht so professionelle Mitarbeiter in der Werkstatt ein zu bringen, die soziale Unterstützung dieser und gleichzeitig einen Gewerbebetrieb zu führen ist eine enorme Herausforderung. Das sagt ja auch schon das Wort „sozialökonomisch“. Die Ressourcen sind erschöpft, mehr kann auf Dauer nicht mehr funktionieren. Autos und Menschen „reparieren“ und gleichzeitig Umsätze steigern, so kann man es wohl am besten kurz beschreiben.

Es ist enorm kräfteraubend und sicherlich nicht angemessen bezahlt.


Zu Beginn dieses Jahres, wurde uns schon mitgeteilt, dass es verdammt eng wird, und wir damit rechnen müssen, dass der Betrieb im Jahre 2012 nicht mehr bestehen wird. Das lähmt, es ist wie ein Todesurteil, welches man von einem Arzt bestätigt bekommt. Wir tun was wir können, einige von uns sind physisch und psychisch schon sehr angeschlagen. Auch ich bin an Grenzen angelangt, wo ich mich oft frage: „Wie soll das nur weiter gehen?“ Doch aufgeben möchten ich, und die anderen sicherlich, auch nicht. Dieses Projekt ist ganz einfach ein enorm wichtiger und wesentlicher Bestandteil für viele Menschen. So auch für mich. Auch wenn ich lediglich € 1.261,87 (netto) für 28 Wochenstunden (wobei ich sehr oft länger bleibe!) Gehalt bekomme. Von diesen ich monatlich, durchschnittlich € 950,-- (Miete, Heizung, Strom, Telefon, GIS, Kfz-Versicherung, Kredit usw.) bezahlen muss. Somit bleiben mir € 10,06 durchschnittlich pro Tag. Davon sollte ich alle weiteren anfallenden Kosten (Lebensmitteln, Hygieneartikel, Reinigungsmittel, Haushaltsartikel, usw.)begleichen. Das sich das absolut nicht ausgehen kann, selbst bei massiver Kasteiung und Einschränkung ist eindeutig ersichtlich. Somit ist mein Schicksal, von dem Schicksal der Werkstatt im Wesentlichen abhängig. Der Betrieb, sowie auch ich sind angeschlagen, jedoch kriechen wir täglich immer wieder aus unseren Ecken und machen weiter. Wie lange ich das noch schaffe weiß ich nicht, und ob es „DieWerkstatt“ schaffen wird, werden wir frühestens im Herbst erfahren. Da wird wieder mit dem AMS verhandelt, welches uns das Geld zur Verfügung stellt. Ein Tanz auf dünnen, sehr dünnen Eis.


Mein Anliegen ist es, diesen Betrieb und damit verbundenen Lebensschicksalen der Menschen nicht sterben zu lassen. Auch, wenn anschließend das Leben auch irgendwie weiter geht. Aber so darf es ganz einfach nicht sein, in einem Land wie Unserem und auch nicht im Rest der Welt. Ich möchte keine Mindestsicherung, keine Beihilfen und/oder betteln gehen, ich möchte arbeiten.


Vor einiger Zeit habe ich eine Kolumne gestartet, wo ich mittlerweile etliche ähnlich dramatische Lebensgeschichten und Schicksale mit geteilt bekam. Ich bin bei weitem nicht alleine, und das darf nicht noch schlimmer werden. Wir sind alle Menschen, die arbeiten wollen und auch können, jedoch wird das in Zukunft fraglich sein, wenn wir so weiter tun, wie bisher. Zu Tode schuften, kein Geld mehr für den Alltag zur Verfügung haben und schon gar nicht für die Zukunft, kann nicht das Ziel in unserer Gesellschaft sein.


Die Rechnung ist unterm Strich ganz einfach: Viel Arbeit, Krankheit, Erschöpfung, wenig bis gar kein Geld, Unzufriedenheit, Unmut, keine Motivation, Resignation und Hoffnungslosigkeit. Scham, von der viele gar nicht sprechen, weil sie die Familie (falls überhaupt noch eine da ist) und sich nicht mehr erhalten können. Schuldzuweisungen, weil man sich wehrlos und ratlos fühlt. Zu den wesentlichen Aspekten, um aktiv an der Gesellschaft teil zuhaben und auch seinen angemessenen Beitrag zu leisten, gehört einfach Gesundheit. Wirtschaftlich wie auch körperlich.


Glücklich zu sein, bedeutet für mich nicht, enorm viel Einkommen zu haben, aber zu mindestens so viel Geld zur Verfügung haben, um zu Leben. Und nicht nur zu Überleben! Wieder eine Perspektive zu bekommen, um mir eventuell den einen oder anderen kleinen Wunsch (Badezimmer renovieren, ins Kaffee Haus gehen, ein paar Tage ausspannen usw.) zu erfüllen. Vielleicht auch dafür zu sorgen, dass mein Begräbnis bezahlt ist. Die Sanduhr wurde schon viel zu oft umgedreht, Die Zeiger stehen weit nach Zwölf Uhr und die Ressourcen sind bedenklich knapp, bis gar nicht vorhanden.


Mit diesen Worten, bitte ich Sie nun von ganzen Herzen, im Namen meines Betriebes, meiner Mitmenschen und mir, Hoffnung zu geben. Zuversicht, indem Sie mir in jeglicher Form Unterstützung gewähren. Ich bin davon überzeugt, dass Sie sicherlich in der Lage sind, mich mit den kompatibelsten und kompetentesten Stellen, in Verbindung zu bringen.


Was definitiv geschehen muss, ist vorab eine sinnvolle ansprechbare Gesprächsbasis zu finden, um das zu tun, was getan werden muss. Es müssen ganz einfach so rasch als möglich, Varianten und Möglichkeiten, gefunden werden, um wieder positiver zu agieren, in dieser verdammt engen und anstrengenden Zeit. Lieber gestern, als heute. Damit es Morgen, wieder gibt.


Herzlichen Dank!


Mit freundlichen Grüßen


Wien, Donnerstag, 2. Juni 2011 um 20:13

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